PRESSEMITTEILUNG Fachverband Integrative Lerntherapie
ZUM WELTALPHABETISIERUNGSTAG AM 8.SEPTEMBER 2020
Lisa will lesen!
„Bitte füllen Sie den Fragebogen noch kurz aus!“ Was für viele Menschen eine selbstverständliche Tätigkeit ist, fällt Lisa sehr schwer. Sie kann ihren Namen schreiben und einige einfache Wörter. Das Lesen gelingt ihr kaum, nur stockend quält sie sich durch die Buchstabenreihen. Je mehr Lisa sich bemüht, desto mehr verschwimmen die Zeichen vor ihren Augen. Sie merkt, wie ihr das Blut in den Kopf schießt und ihr heiß wird.
Lisa ist 24 Jahre alt und hat eine geringe Literalität. Das bedeutet, dass sie zwar einzelne Worte und kurze Sätze lesen und auch einige wenige Worte schreiben kann, aber zusammenhängende Informationen eines Textes nicht verarbeiten kann. In Deutschland gibt es laut LEO 2018 Studie 6,2 Millionen Erwachsene mit einer geringen Literalität. Dabei hat jeder Zweite davon Deutsch als Muttersprache. Überdurchschnittlich erwerben Menschen mit geringen Lese-und Schreibfähigkeiten keinen oder einen niedrigen Schulabschluss.
Wer nicht Lesen und Schreiben kann, ist lebenslang in der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sehr stark beeinträchtigt. Das Zurechtfinden in unbekannten Gegenden, das Lesen von Straßenschildern und Haltestelleninformationen, ein Ausfüllen von Anträgen, beim Einkaufen oder die jährliche Steuererklärung – sehr viele Informationen liegen in schriftlicher Form vor. Buchstaben, Wörter und Sätze umgeben unseren Alltag. Wer sich hier nicht zurecht findet, zieht sich oft zurück und ist abhängig von der Hilfe anderer Menschen. Häufig haben diese Erwachsenen eine schwierige, teilweise traumatische schulische Entwicklungsgeschichte.
Die Gründe für die Schwierigkeiten sind vielfältig und individuell und bedürfen einer differenzierten Erfassung.
Für Erwachsene mit geringer Literalität hat die Bundesregierung die AlphaDekade 2016-2026 ausgerufen. Menschen mit geringen Kenntnissen im Lesen und Schreiben sollen mehr Grundbildungsangebote zur Verfügung stehen. Aufklärung und Information von Lehrer*innen und Eltern sind schon in der Grundschule notwendig und sinnvoll. Eine gezielte Erfassung und frühe Förderung von Kindern mit großen Schwierigkeiten im Schriftspracherwerb kann helfen, psychische Belastungen zu vermindern und den Kindern eine ihren Fähigkeiten entsprechende schulische Ausbildung zu ermöglichen. Hier kann Schule verlässliche Unterstützungsangebote vor Ort noch ausbauen.
Eine individuelle Unterstützung kann die Integrative Lerntherapie sein. Sie ist eine professionelle Hilfe für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Lernstörungen. Die Lerntherapeut*innen erarbeiten Schritt für Schritt und höchst individuell die Stufen des Lese-und Schriftspracherwerbs, erarbeiten Entlastungen für den Alltag und begleiten beratend den Entwicklungsprozess.
Auch Lisa hat nun mit Unterstützung ihrer Ausbilder und ihrer Familie den Mut gefasst, noch einmal grundlegend lesen und schreiben zu lernen. Sie möchte ihrer kleinen Tochter später einmal vorlesen können. Seit drei Monaten besucht sie einmal in der Woche eine Integrative Lerntherapie. Durch die zielgerichtete Hilfe ihrer Lerntherapeutin kann Lisa mit den ersten Erfolgen ihre negativen Lernerfahrungen langsam überwinden und sieht nun endlich zuversichtlich in die Zukunft. Erste Erfolge zeigen sich schon: Lisa kann einen kleinen Text in einfacher Sprache ohne Aufregung und stockungsfrei lesen.
Weiter Informationen und Hilfen:LEO 2018: https://leo.blogs.uni-hamburg.de
AlphaDekade: https://www.alphadekade.de
DGB Bildungswerk: www.dgb-mento.de
Fachverband für integrative Lerntherapie (FiL): www.lerntherapie-fil.de